Vom 31.10.2025 bis zum 02.11.2025 fand in Eitorf (Rhein-Sieg-Kreis) das Treffen des Dachverbands der Allgemeinen Deutschen Burschenschaften (ADB) statt. Ursprünglich sollte der Burschentag wie üblich in Jena stattfinden, doch das Fair Resort Hotel in Jena als bisheriger Versammlungsort hat die Zusammenarbeit beendet. Die ADB versuchte ihr Gesicht zu wahren und schrieb in ihrer Einladung, man wolle in Zukunft der Neuausrichtung des Hotels ins Luxussegment nicht mehr folgen. Eine Woche später als zunächst vorgesehen fand der Verband mit dem Schützenhof so grade noch ein in der Tat eher gutbürgerliches als luxuriöses Ausweichquartier für sein Treffen im nordrhein-westfälischen Eitorf.
Umzug vom traditionsreichen Jena in das kleinstädtische Eitorf
Die ländliche Hotelanlage mit Platz für bis zu 220 Gästen und Räumlichkeiten für Seminare und Tagungsveranstaltungen bietet sich als Austragungsort nicht nur auf Grund der ausgedehnten Hotel-Anlage an. Besitzer Bernd Kessel ist selber „Verbandsbruder“ der Burschenschaft Sigambria et Alemannia zu Siegen. Kessel ist als Hotelier außerdem Beisitzer im nordrhein-westfälischen Hotel- und Gaststättenverband (DeHoGa).
Das diesjährige burschenschaftliche Totengedenken beging man in einer kleinen, fußläufig erreichbaren Kirche. Eine daran anschließende „Wanderung“ zur Gaststätte „Böck dich“ nahm den einzig möglichen Weg, der nicht durch die ausgedehnten Gewerbegebiete Eitorfs führte. Lediglich gut 30 der insgesamt circa 80 angereisten Burschen schafften die knapp vier Kilometer lange Strecke entlang des leidlich idyllischen Fuß- und Fahrradwegs rechts der Sieg bis zur avisierten Kneipe. An der Spitze: Burschentag-Ausrichter Bernd Kessel. Einige weitere Burschen ließen sich gleich mit dem Taxi dorthin chauffieren.
Dass der Wechsel aus der traditionsreichen Stadt Jena in die wenig beschauliche, industriegeprägte Kleinstadt von vorneherein nicht allen Burschen gefiel, ist offensichtlich. Als Tagesordnungspunkt im „Generalkonvent“ wurde ein Antrag der Gießener Burschenschaft Germania gestellt: Man möge beschließen, die Burschentage ab 2026 regelmäßig in Eisenach stattfinden zu lassen. Die Nähe zur DB als dem Dachverband der völkischen Burschenschaften würde man dafür ihn Kauf nehmen.
Die DB-Burschentage finden regelmäßig in Eisenach statt. Ohnehin ist die ADB bereits im verbandsübergreifenden DEV e.V. (Denkmalserhaltung Eisenach) mit Sitz in Eisenach vertreten. Zweck des Vereins ist der Erhalt des Burschenschaftsdenkmals, die Vereinstreffen fallen regelmäßig mit dem Burschentag der DB zusammen.
Ausrichtung der AdB – Eine kurze Einordnung
Die ADB wurde nach den seit 2011 beginnenden offen ausgetragenen Richtungskämpfen innerhalb der weitaus älteren Deutschen Burschenschaft (DB) ausgegründet und gilt seitdem als Dachverband der national-liberalen Burschenschaften (im Gegensatz zu den im DB verbliebenen völkischen Burschenschaften). Vorausgegangen war den Auseinandersetzungen der 2011 gestellte, zutiefst rassistisch motivierte Antrag, die Hansea Mannheim aus dem Dachverband auszuschließen, weil diese einen Deutschen chinesischer Herkunft aufgenommen hatte. Um diesen Antrag wurde in der Folge unter dem Stichwort „Arier-Antrag“ gestritten.
«« Gestellt wurde der Antrag von der Alten Breslauer Burschenschaft der Raczeks zu Bonn. Für weitere Auseinandersetzungen gab eine Äußerung von Norbert Weidner, ebenfalls Mitglied der Raczeks, Anlass. Der damalige „Schriftleiter“ der DB- Verbandszeitung und langjährig aktive Neonazi verteidigte die Hinrichtung Bonhoeffers durch die Nationalsozialisten als juristisch gerechtfertigt. Er wurde später mit knapper Mehrheit abgewählt und wegen Verunglimpfung gerichtlich verurteilt. Zuletzt arbeitete Weidner für den Koblenzer AfD-Landtagsabgeordneten Joachim Paul, der wie Weidner ein Raczek ist. Selbstredend gehört die Bonner Verbindung weiterhin der DB an, in der nach der Spaltung der harte Kern der völkischen Burschenschaften verblieb und die im Gegensatz zu den anderen Verbänden auch Burschenschaften aus Österreich zu ihren Mitgliedern zählt.
Infolge der Auseinandersetzungen trat gut die Hälfte der Burschenschaften aus und 2016 kam es schließlich zur Gründung der ADB als neuem Dachverband. Derzeit sind dort 26 Burschenschaften organisiert, sechs davon kommen aus NRW. Der fortan als der gemäßigte und national-liberal geltende Verband ist als Schnittstelle zwischen nationalkonservativen und extrem rechten Milieus jedoch keineswegs unproblematisch.
In den bisherigen Ausgaben der Verbandszeitschrift kamen wiederholt Mitglieder der rechtsextremen AfD zu Wort. Extrem rechte Printmedien wie die Junge Freiheit oder CATO schalten dort Anzeigen, und auch eine „Studie“ des mittlerweile umbenannten Instituts für Staatspolitik um den früheren Gildenschafter Götz Kubitschek wurde positiv rezensiert. Die Trennung der Dachorganisationen wird in verbandsübergreifenden Gremien und lokalen Veranstaltungen regelmäßig aufgeweicht.
Auch einige der diesjährigen Teilnehmer bzw. ihre Burschenschaften belegen Verbindungen nach (ganz) rechts: Angereist in Eitorf war etwa Frank Wübbeling, „Alter Herr“ der Germania Gießen und Oberbürgermeisterkandidat für die AfD im Kreis Krefeld. Axel Oeljeschläger, Vorsitzender des Altherrenverbandes der Germania Gießen gehört einer Burschenschaft an, aus der heraus ein Mitglied 2023 an der Vorbereitung eines Brandanschlages auf das linke Wohnprojekt und Kulturzentrum AK44 in Gießen beteiligt war. Jonas Thoren gehört der hannoverschen Burschenschaft Germania an. Dort schien man kein Problem damit gehabt zu haben, dass zwei ihrer aktiven Mitglieder und Bewohner des Burschenhauses der bewaffneten Neigungsgruppe G angehörten, die sich paramilitärisch auf den „Tag X“ vorbereitete. Im Zuge der Ermittlungen wurde auch das Haus der Burschenschaft durchsucht.
«« Immerhin wurde der Anti-Antifa Medienaktivist Patrick Kolek („Wuppi“) auf Antrag der Kölner Burschenschaft Alemannia ausgeschlossen. Unter anderem hatte er in seinem Zimmer einen Schuss mit seiner Schreckschusswaffe abgegeben. Der Grund dafür sei die Tatsache gewesen, dass er sich durch einen Verbandsbruder im Schlaf gestört gefühlt habe (https://autonome-antifa.org/breve9570). Der Doxxer mit der mangelhaften Impulskontrolle ist aber weiterhin gut genug für die AfD. Sein Hetzaccount arbeitet für die extrem rechte Partei, er selber ist im Raum Erkelenz für die AfD aktiv, wo er auch ein Fitnessstudio betreibt.
Zwar werden Mitglieder nicht-deutscher Herkunft nicht grundsätzlich ausgeschlossen, inhaltlich vertreten die der ADB angeschlossenen Burschenschaften aber nach wie vor ein nationalistisches, konservatives, illiberales und misogynes Weltbild. Sie sind wie alle Burschenschaften streng hierarchisch organisiert. Burschenanwärter („Füxe“) durchlaufen demütigende und bizarre Aufnahmerituale bis sie zu „Aktivitas“ werden. Übermäßiger, dabei nach strengen Regeln ausgeübter Alkoholkonsum gehört zwingend zur Erlebniswelt der Burschen. Das Fechten in den „schlagenden“ oder „pflichtschlagenden“ Verbindungen einschließlich der „Mensur“ (Verletzung) und dem verbleibenden „Schmiss“ (Narbe im Gesicht) ist ein identitätsstiftender Initiationsritus der Männer.
Es gilt das „Lebensbundprinzip“. Die „Alten Herren“ finanzieren das Burschenleben einschließlich der Häuser mit preiswertem Wohnraum und sorgen für berufliche Vernetzungen und Karrieremöglichkeiten. Das Lebensbundprinzip bedeutet auch, sich gegenseitig Anwälte, Wohnungen und Jobs zu vermitteln. Dadurch, dass viele der Burschenschafter Jura studiert haben, ist die Dichte der Anwälte hoch. So können auf der einen Seite bürgerlich angesehene Berufe ausgeübt werden, auf der anderen Seite für Gleichgesinnte eines breiten rechten Spektrums rechtliche Unterstützung und Absicherung sichergestellt werden. Burschenschaftler mögen aussehen wie aus der Zeit gefallene Kostümfetischisten, als politische Kaderschmieden und elitäre und einflussreiche Netzwerke werden sie jedoch regelmäßig unterschätzt.
Die Burschenschaften der ADB leiden trotz ihrer Angebote an Studenten wie billigen Wohnraum auf den Burschenhäusern, Infoveranstaltungen und Partys – oder besser: Saufgelagen, bei denen es gelegentlich auch zu sexualisierter Gewalt kommt – unter Nachwuchssorgen. In Eitorf gab es entsprechende Diskussion zur Nachwuchsgewinnung. Vor allem aber stand das Treffen im Zeichen der Generaldebatte „Politisch aktiv!“, die bereits bei der diesjährigen Seminartagung in Karlsruhe diskutiert wurde.
ADB-Burschenschaftler zu wenig „Politisch aktiv!“?
Innerhalb des Verbands wird beklagt, dass politische Positionen zwar intern diskutiert würden, aber die „Verantwortungsübernahme“ und Gestaltung in politischen Gremien nur in geringem Umfang wahrgenommen würden. Diesen Zustand wolle man nun nicht mehr länger hinnehmen. Man möge die „Bundesbrüder“ ermutigen, sich in der Hochschulpolitik, der kommunalen Politik und der „Mitwirkung an gesellschaftlichen Debatten“ zu engagieren.
Der Versuch verstärkter Einflussnahme auf die Hochschulpolitik ist allerdings nicht ganz neu. In Siegen etwa tat sich hierbei vor allem die Sigambria et Alemannia zu Siegen hervor. Deren Burschen zeichnen sich durch die durchaus übliche Mischung von AfD- Und JA-Mitgliedern im Verein mit Mitgliedern der CDU und deren Jugendorganisationen, sowie Liberalen der FDP und deren Jugendorganisation aus. Die Vernetzungen und Veranstaltungen der Burschenschaft haben es in sich: Ihr „Alter Herr“ und Geldgeber Jens Dietrich hat einen Sitz im thüringischen Landtag für die AfD und er bekleidete den Vorsitz der mittlerweile mangels Mitglieder eingegangenen AfD-assoziierten Carl-Joseph-Meyer-Stiftung. In ihrer Zeit als burschenschaftliche „Aktive“ waren Tim Opatzki und Daniel Schwach Mitbegründer der extrem rechten AfD-Jugendorganisation (JA) in Siegen-Wittgenstein und taten sich in der Folge mit Aktionen wie Flashmobs oder dem provokanten Tragen von Anti-Antifa-Shirts hervor. Auf dem 2017 in Koblenz ausgetragenen Kongress der ehemaligen extrem rechten EU-Fraktion Europa der Nationen und der Freiheit (ENF) traten beide als „Sicherheitsbeauftragte“ der AfD auf. Opatzki war bereits 2016 zu einem Festival der faschistischen Lega Nord (Italien) gereist. Während er sich heute von seinem politischen Aktivismus distanzieren möchte, gehört Daniel Schwach (mittlerweile Daniel Seinsche) dem AfD-Stadtrat in Wiehl (Oberbergischer Kreis) an. Abseits dieses bescheidenen Postens sorgt er weiter für Vernetzung der extremen Rechten in Europa. So postete er am 01. Oktober dieses Jahres: „Heute durften wir Harald Vilimsky, Delegationsleiter der FPÖ im EU-Parlament und Vizepräsident der Patriots for Europe bei uns in Düsseldorf begrüßen.“

Für den Samstagabend war der ehemalige AfD-Funktionär Markus Pretzell eingeladen, der bis 2021 als Corpsbruder dem Kösener Senioren-Konvents-Verband angehörte. Augenscheinlich war man dort nach Art der rechten Wutbürger und Hater mit ihm verfahren, so dass er einen ausgesprochen galligen Abschiedsbrief schrieb und vorschlug, die angemahnten Mitgliedsbeiträge gegen Schmerzensgeld zu verrechnen. Es scheint, als habe Pretzell es mit dem Geist zu tun bekommen, den er eigenhändig aus der Flasche gelassen hat. Den amüsant zu lesenden vollständigen „Abschiedsbrief“ hat die Autonome Antifa Freiburg dokumentiert (https://autonome-antifa.org/breve9624). Pretzell wird auf dem Eitorfer Treffen Anregungen beigesteuert haben, wie die ADB-Burschen „politisch aktiv!“ werden können. Er gilt, wie die ADB, als national-konservativ. Und ebenso wie bei dem Burschen-Dachverband ist dies zumindest in Teilen verharmlosend. Bereits zu seiner Zeit als AfD-Vorstand etwa plädierte er für die Anwendung von Schusswaffen im Falle eines „gewaltsamen“ Grenzübertritts von Geflüchteten. Als Europaabgeordneter zerstritt er sich mit seiner Partei, wurde von der zukünftigen Teilnahme an Sitzungen der EU-Parlamentsgruppe seiner Partei ausgeschlossen und schloss sich 2016 der Fraktion Europa der Nationen und der Freiheit (ENF) um die Abgeordneten des französischen Front National an. Auf demselben Fraktionstreffen der ENF in Koblenz, bei dem 2017 Opatzki und Schwach als „Sicherheitsdienst“ fungierten, sorgte er für kontroverse Debatten, weil er sich für die Interessen der israelischen Siedlerbewegung einsetzte und Israel als Land bezeichnete, das vorbildlich gegen den politischen Islam vorgehen würde. Seine Intention wird dabei weniger dem Existenzrecht Israels gegolten haben, sondern dem Wunsch nach Verbrüderung mit dessen faschistischer Regierung seit Benjamin Netanjahu.
Um welche gesellschaftlichen Debatten es sich handeln könnte, an denen nach Auffassung der ADB „mitgewirkt“ und „Verantwortung“ übernommen werden soll, wurde durch das Thema der Podiumsdiskussion deutlich. Diese fand am Freitagabend statt und trug die Überschrift „Der deutsche Beitrag zur Bündnis- und Landesverteitigung (sic!) und die Bundeswehr der Zukunft“. Damit greifen die ADB-Burschenschaften den virulenten Bellizismus auf, wie er durch konservative Parteien wie der CDU, aber auch der SPD und den GRÜNEN zunehmend vertreten wird.
Insgesamt stehen im Zeichen des Rechtsrucks und Autoritarismus, des Aufweichens demokratischer Prinzipien, des zunehmenden Nationalismus und Traditionalismus und der Annäherung der CDU an die extrem rechte AfD die Zeichen für die ADB-Burschen gut, aussichtsreiche Plätze im politischen Geschäft zu finden, um ihre antiliberale Agenda zu Gehör zu bringen. Wenn autoritär-konservative und extrem rechte Parteien dieselben Diskurse bedienen und die Grenzen zwischen ihnen verwischen, könnten auch die ADB-Burschenschaften mit ihrer Scharnierfunktion zwischen konservativen und extrem rechten Kräften kräftigen Aufwind bekommen. Eine auf Dauer gestellte Zusammenarbeit mit Pretzell könnte ebenfalls im Bereich des Möglichen liegen.

Bernd Kessel wird es schwergehabt haben, seine „Bundesbrüder“ von den Vorzügen seines Hotels, der kleinen Stadt Eitorf oder deren gastronomischem Angebot zu überzeugen. Der Antrag, den kommenden Burschentag in Eisenach stattfinden zu lassen, dürfte gute Erfolgschancen gehabt haben. Falls die Wahl doch wieder auf Eitorf fallen sollte, wäre – wie in Eisenach – Gegenprotest wünschenswert.
Zum Weiterlesen:
https://www.apabiz.de/wp-content/uploads/Burschenschaften-und-Studentenverbindungen_web.pdf
https://autonome-antifa.org/mot2456
https://antifainfoblatt.de/aib137/das-lebensbundprinzip-als-rueckgrat-von-burschenschaften
https://www.ardmediathek.de/video/report-mainz/report-mainz-braune-burschenschaften-das-rechtsextreme-netzwerk-der-afd/das-erste/Y3JpZDovL3N3ci5kZS9hZXgvbzIwNDk4OTQ













