Verschwörungsgläubige aus dem Oberbergischen Kreis mit Verbindungen zur Anastasia- und Reichsbürgerbewegung planen Gründung einer Siedlungsgemeinschaft in der Lüneburger Heide

Der Immenhof gehört zur Gemeinde Bispingen in der Lüneburger Heide. Auf dem etwa 28.000 qm großen Gelände (mit Wald- und Landwirtschaftsflächen 41 ha), das früher als Kinderheim genutzt wurde, gibt es neben diversen Gebäuden auch ein Brunnenhaus, ein Schwimmbad und ein Schul­ge­bäude.

Auf diesem Gelände planen Christoph Sch. und seine Mitstreiter*innen ein Siedlungsprojekt, welches möglichst unabhängig von staatlichen Strukturen und Kontrollen Platz zum Zusammenleben bieten soll. Am vergangenen Wochenende vom 24. bis 26.06. fand dort ein Vorbereitungstreffen von über 60 Personen statt.

Christoph Sch. lebt seit langem im Oberbergischen Kreis, war an der Gründung von zwei Solidari­schen Landwirtschaften (SoLaWi) beteiligt, die er beide allerdings nach kurzer Zeit verließ.

Er fing danach an in eigener Regie Menschen um sich zu sammeln und Vereine zu gründen, um ein Leben in der „neuen Zeit“ zu planen. Wie ein Leben in dieser neuen Zeit aussehen soll, wird in den Telegramgruppen, die er selber aufgebaut hat oder in denen er Mitglied ist, nur angedeutet. Es gibt aber immer wieder Nachrichten und Äußerungen in seinen Kanälen, in denen die Existenz der BRD angezweifelt wird (Reichsbürger- oder Selbstverwalternähe), Verschwörungserzählungen verbreitet werden (insbesondere zu Corona) und zur Gründung von autarken Siedlungen, Genossenschaften, Mehrgenerationendörfern oder ähnlichen Projekten aufgerufen wird.

Christoph Sch. hat sich, um seine Ideen auch real umsetzen zu können, im Oberbergischen und weit darüber hinaus ein Netzwerk geschaffen. Eng arbeitet er mit Peter Kittl zusammen, der mit seinem Verein ILA-Faireint aus Österreich selber Menschen in einer sektenähnlichen Struktur sammelt und dafür WirKreise-Seminare in ganz Deutschland durchführt. Im Juni dieses Jahres war er dafür auch in Wipperfürth wo etwa 15 Menschen seinen Theorien lauschten. Peter Kittl ist Anhänger der Anastasia­bewegung, hat neben seinem Verein ILA-Faireint auch eine Genossenschaft gegründet, die „neue Formen des Zusammenlebens, inspiriert durch die autarken Familienlandsitze nach Anastasia“ gründen möchte und hat gute Kontakte zu bekannten Personen der Anastasia-Szene, z.B. zu Robert Briechle („Mutterhof“ im Allgäu) und zu Martin Laker (Akademie Engelsburg).

Grundlage der „Anastasia“-Bewegung ist die zehnbändige Romanreihe „Anastasia – Tochter der Taiga“ von Wladimir Megre. Zentrale Figur ist die feenhafte Anastasia, mit blondem wallendem Haar. Eine übernatürliche esoterische Botschafterin einer „natur-harmonischen Lebensweise“. Zur Voll­endung dieser Lebensform sind ein Hektar große „Landsitze“ aufzubauen. Letztlich geht es um die Selbstversorgung von Menschen mit blonden Haaren, blauen Augen, die im erdigen Einklang mit der Natur leben. Klingt harmlos, ist es aber keinesfalls… „Es wird die Geschichte erzählt, dass wir alle manipuliert sind und uns in einer Art Schlaf befinden, aus dem wir erweckt werden müssen, um zur Glückseligkeit zurückzukommen. Die Demokratie ist die Manipulationstechnik, der wir unterworfen sind, wo die Politiker die Marionetten darstellen, die uns nach ihren Vorstellungen tanzen lassen. Und im Hintergrund steht eine Elite, die die Fäden in der Hand hält.“ Zum Vorschein kämen antisemitische Stereotype und Verschwörungstheorien. Im Nazi-Duktus werde behauptet, die Juden kontrollierten den weltweiten Geldfluss. Und: „Dass wir alle manipuliert sind von einem jüdischen Kreis im Hinter­grund, von jüdischen Priestern.“ (zitiert nach: https://www.deutschlandfunkkultur.de/voelkische-siedler-in-brandenburg-wie-eine-sekte-ein-dorf-100.html)

Zu den Aktivitäten von Christoph Sch. in jüngerer Zeit gehörte auch die Organisation einer Veran­staltung in der Schnipperinger Mühle in Wipperfürth. Ein Verein mit dem Namen „Kollektives Bewusstsein“ für den Sch. auch als Aministrator in der Telegram-Gruppe tätig ist, hielt hier ihr bundesweites Treffen ab und lud dafür zu einem Konzert Eloas Min Barden ein, einen Liedermacher, der mehrfach sowohl auf Demonstrationen der Querdenkerszene als auch auf Veranstaltungen der Anastasia-Bewegung auftrat. Zu dem Konzert kamen an zwei Abenden immerhin etwa 200 Personen. Für diese Veranstaltungen (auch für die Seminare von P. Kittl) gibt es keine Teilnahmekosten oder Eintrittspreise sondern es wird um Spenden gebeten oder wie sie es selber nennen einen „Energie­ausgleich“. Was den Vorteil hat, dass es keinen Einblick in die Gelder gibt die dort fließen, natürlich keine Steuern gezahlt werden und vermutlich die Teilnehmer mehr zahlen, wenn sie geben „was dein Herz dir sagt“.

Christoph Sch. betreibt außerdem seit einigen Wochen eine Fairteilaktion (!) von Lebensmitteln. Dabei werden Lebensmittel aus biologischer Landwirtschaft einmal in der Woche an Beteiligte in der Region Köln, Wuppertal und Oberberg ausgeliefert. Auch hier geht es darum Personen an sich zu binden und Parallelstrukturen aufzubauen in Abgrenzung zu einer Gesellschaft, von der sie sich spätestens seit Einführung der Coronaschutzmaßnahmen, verraten fühlen. Zu diesen Parallel­struk­turen gehört neben Lebensmittelproduktion und -vertrieb u.a. auch der Aufbau von (sogenann­ten) Freien Schulen und das Etablieren von eigenen Geldkreisläufen.

In den meisten Telegramkanälen die Christoph Sch. betreibt oder in denen er Mitglied ist, klingen die Nachrichten zumeist harmlos. Man könnte meinen es sind ein paar Esoteriker, die zwar ziemlich abstrusen (Verschwörungs-) Theorien anhängen, die aber nichts mit Rechtsextremen, Antisemiten oder anderen radikalen Kräften zu tun haben. Dahinter verbirgt sich die Strategie möglichst nicht aufzufallen, um die Projekte nicht zu gefährden, Andeutungen und Formulierungen, die unverdächtig klingen, in der Szene aber verstanden werden, machen aber deutlich wofür die Gruppen stehen. P. Kittl hat auf seinem Wohnmobil z.B. einen „Shaef“-Aufkleber. Dahinter verbirgt sich die Reichsbürger­phantasie, ein Kommando der alliierten Streitkräfte sei die einzige Rechtsautorität auf deutschem Boden, dessen Grenzen nicht die „BRD-GmbH“-Grenzen sind. Christoph Sch. war früher Berufssoldat und ist vor einigen Monaten auch in die Telegramgruppe Veteranen-Pool eingetreten. Bei dieser Gruppe geht es darum ehemalige Mitglieder der Streitkräfte zu sammeln, um „…der Polizei (zu) zeigen, was es bedeutet zu dem einmal abgelegten Eid auf die freiheitlich demokratische Grund­ordnung zu stehen und dass Veteranen bereit sind, sich schützend vor das Volk, den Souverän, zu stellen.“ Ob dies im Zweifelsfall auch den Einsatz der Waffe beinhaltet, wird natürlich nicht weiter erläutert. Wenn Personen, die Christoph Sch. unterstützt, sich radikaler Äußern oder sich durch Aktionen zu sehr ins Licht der Öffentlichkeit stellen, zieht er sich von diesen Personen zurück um seine Strukturen nicht zu gefährden. So geschah es beim „Heilerhof“ in Wiehl. Im Zeitraum der Pandemiebeschränkungen fanden dort Treffen von größeren Gruppen statt. Was natürlich nicht unbemerkt blieb und zur Auflösung durch die Polizei führte. Daraufhin zog Christoph Sch. die Unterstützung durch seinen Verein zurück.

Jörn K. ist ein weiterer Mitstreiter von Christoph Sch.. Er hat auch am Treffen auf dem Immenhof teilgenommen, wirbt in seinem Telegram-Kanal „Paradiesum“ sehr offen für Familienlandsitz-Siedlungen nach Anastasia, Konstantin Kirsch (ein weiterer Anastasia-Anhänger der einen Index für die deutsche Anastasia-Buchreihe herausgegeben hat), für Schetinin-Schulen (gilt im deutschsprachigen Raum in der rechtsesoterischen „Anastasia“-Bewegung als großes Vorbild, nicht zuletzt, weil sie in der zehnbändigen antisemitisch geprägten „Anastasia“-Romanreihe ausführlich beschrieben wird) und für die neue germanische Heilkunde, deren Erfinder sich u.a. antisemitisch äußert. Brisant ist, dass er im September 2021 ein Seminar mit Heike Werding organisierte. Heike Werding ist der Kopf der verbotenen Reichsbürgerbewegung „Geeinte deutsche Völker und Stämme“, bei deren Verbot es auch eine Hausdurchsuchung in Gummersbach gab. Auch Jörn K. ist eng verbun­den mit dem Netz­werk um Peter Kittl und wurde beim Aufbau seines Vereins von ihm unterstützt.

Die Anmeldungen der Vereine finden fast ausschließlich in Österreich statt. Die Vorstände eines Ver­eins haften in Österreich nicht mit ihrem Privatvermögen, die Vereine können aber trotzdem legal in Deutschland arbeiten.

Das vorsichtige Agieren von Christoph Sch. und seinem Umfeld scheint sich jetzt auszuzahlen. An­schei­nend hat er genügend Mitstreiter gewonnen um ein großes Gelände zur Gründung eines Siedler­projektes zu kaufen, den Immenhof in Bispingen. Am Wochenende vom 24. bis 26.06.22 fand auf dem Gelände des Immenhofes ein erstes Treffen von über 60 Interessierten statt, die sich an dem Siedlungsprojekt beteiligen möchten. Neben Christoph Sch. und seinem Umfeld ist natürlich auch Peter Kittl anwesend. Angekündigt waren Vorträge u.a. von Jacky Herder, die ihr von der Anastasia-Buchreihe inspiriertes Schulkonzept „School of Bliss“ vorstellen wird, von Boris Matern über seine „alternative“ Wirtschaftsplattform „Humanimity“, die 2018 eigentlich schon mal pleite war und es gibt Beiträge zum österreichischen Vereinswesen. Außerdem soll natürlich eine Vision für den Immenhof ent­wickelt und vermutlich Gelder dafür eingeworben werden.

Auf dem Gelände befindet sich auch ein Brunnenhaus mit einer eigenen Quelle. Christoph Sch. und seine Mitstreiter beschäftigen sich schon lange mit dem Thema Wasser, bewerben oder vertreiben Filtersysteme oder gleich das gereinigte Wasser selber. Vermutlich gibt es den Plan das Immenhof-Wasser zu vertreiben und damit das Projekt zu finanzieren. Diese Idee hatte auch schon der bisherige Besitzer des Grundstücks, Helmut Bierwirth, ein gescheiterter Geschäftsmann aus Hamburg, der hoch verschuldet ist und dem Kontakte ins Rotlichtmilieu und zur organisierten Kriminalität nachgesagt werden. Helmut Bierwirth wohnt auf dem Gelände und hat Christoph Sch. erlaubt das Treffen auf dem Gelände durchzuführen, vermutlich hat er sogar mit dazu eingeladen.

Dass das Treffen an diesem Wochenende stattfindet hat einen wichtigen Grund. Am 29.06. wird das Grundstück beim Amtsgericht Soltau versteigert. Das Treffen dient also auch dazu auszuloten, ob sich genügend Menschen finden, die bereit sind, ihre Energie und ihr Geld in das Projekt zu stecken. Ob Christoph Sch. selber das Grundstück mit geliehenem oder gesammeltem Geld kaufen wird oder eine*r seiner Mitstreiter*innen, bleibt abzuwarten.

Es kann aber auch ganz anders kommen. Mehrere Politiker aus dem Gemeinderat sind mittlerweile auf die Vorgänge auf dem Immenhof aufmerksam geworden und wollen versuchen zu verhindern, dass sich dort eine Siedlergemeinschaft nach Anastasia Prinzipien niederlässt. Dass das Gelände (ein vormaliges Reformprojekt der AWO für junge Frauen und Mädchen) zur Zeit des Nationalsozialismus auch zur Wehrer­tüchtigung der Hitlerjugend benutzt wurde, ist für sie dabei ein weiterer Grund die zukünftige Nut­zung durch rechts offene, reichsbürgernahe Menschen zu unterbinden. Dass der Verfassungsschutz in Niedersachsen die Anastasia Bewegung, die sie zu den völkischen Personenzusammenschlüssen zählt, mittlerweile beobachtet, dürfte dabei hilfreich sein.

(Pressemitteilung vom 27.06.2022)