Radevormwald mit seinen benachbarten Wupperorten und den umliegenden Dörfern gilt seit Jahren als Zentrum neonazistischer Aktivitäten. Bekannt ist vor allem der „Freundeskreis Radevormwald“, um den es nach den Razzien und Gerichtsverhandlungen 2012 nur scheinbar ruhig wurde. In den letzten Jahren werden in den nördlichen Kleinstädten des Oberbergischen wieder verstärkt Aktivitäten aus dem extrem rechten Milieu sichtbar. Ermöglicht wird dies durch ein dichtes Netz von familiären und freundschaftlichen Verbindungen. Diese reichen vom neonazistischen Spektrum über die extrem rechte PRO-Bewegung bis in die AfD. Alte und neue Mitglieder des extrem rechten Netzwerks sollen im Folgenden vorgestellt werden.
Dieser Text bezieht sich auf unseren Artikel „Ziemlich beste Freunde: Neonazi-Aktivitäten in Radevormwald“ aus der Lotta #95 (Herbst 2024) und soll zusätzliche Informationen bereitstellen.
Von links: Jonas Ronsdorf, Marius Dörschel, Tobias Ronsdorf vom ehemaligen Freundeskreis Radevormwald (Foto dokunetzwerk rhein-main)
Das gequält gereimte Motto „Keinen Forint für’s [!] Dorint!“ konnte am 16.03. offensichtlich nur wenige extreme Rechte nach Remscheid locken. Daran änderte auch das Aufgebot von Manfred Rouhs (unter anderem ehemaliger Bundesvorsitzender der 2018 aufgelösten Kleinstpartei „Pro Deutschland“) nur wenig. Zu keiner Zeit der Demoroute konnten mehr als 50 Teilnehmende gezählt werden und das auch nur, weil kurzfristig die Trommlergruppe von „NRW erwacht“ dazu stieß.
Oberbergischer Kreis/Potsdam. Am gestrigen Mittwoch sorgte die Veröffentlichung einer investigativen Recherche des Medienhauses CORRECTIV über ein klandestines Treffen von AfD-Vertreter*innen, Neonazis und weiteren Vertreter*innen der extremen Rechten im November 2023 unweit von Potsdam für Empörung. Das Ziel des Treffens: die Planung der Deportation von Millionen Menschen. Solche Überlegungen wurden dort demnach u.a. vom österreichischen Rechtsextremisten Martin Sellner präsentiert.
Einladend sehen Wohnhaus und Grundstück von Patrick T. in Wipperfürth-Klaswipper nicht aus. Dennoch veranstalten die AfD Wipperfürth und Hückeswagen am 13.08. hier ihr Sommerfest. Vor dem Haus steht einiges Gerümpel, daneben ein Pavillon mit drei Security-Leuten, die den Einlass kontrollieren. Hinter dem Haus stehen dicht gedrängt einige blau-rote AfD-Pavillons und Sonnenschirme unter denen die erwarteten 200 Gäste Platz nehmen sollen.
Der Immenhof gehört zur Gemeinde Bispingen in der Lüneburger Heide. Auf dem etwa 28.000 qm großen Gelände (mit Wald- und Landwirtschaftsflächen 41 ha), das früher als Kinderheim genutzt wurde, gibt es neben diversen Gebäuden auch ein Brunnenhaus, ein Schwimmbad und ein Schulgebäude.
Auf diesem Gelände planen Christoph Sch. und seine Mitstreiter*innen ein Siedlungsprojekt, welches möglichst unabhängig von staatlichen Strukturen und Kontrollen Platz zum Zusammenleben bieten soll. Am vergangenen Wochenende vom 24. bis 26.06. fand dort ein Vorbereitungstreffen von über 60 Personen statt.
Christoph Sch. lebt seit langem im Oberbergischen Kreis, war an der Gründung von zwei Solidarischen Landwirtschaften (SoLaWi) beteiligt, die er beide allerdings nach kurzer Zeit verließ.
(Extrem) rechte Propaganda in der Telegram-Gruppe „Gesundheitswesen Oberberg“.
Wie die Oberbergische Volkszeitung (OVZ) vom Freitag berichtet, gibt es von Teilen der Kommunalpolitik Kritik nach der Kundgebung vom vergangenen Montag gegen die wöchentliche Demonstration der Impfgegner*innen in der Gummersbacher Innenstadt. Dieses entzündet sich an der Parole „Nazis raus!“, die von manchen Gegendemonstrant*innen gerufen wurde. Die CDU wolle deshalb nicht mehr an möglichen weiteren Kundgebungen teilnehmen. Der SPD-Fraktionsvorsitzende im Gummersbacher Stadtrat erklärte, man distanziere sich ausdrücklich von diesen Rufen.
Wir finden die Distanzierung übereilt. Die Parole „Nazis raus!“ ist zwar überspitzt, trifft aber einen wahren Kern. In der Vergangenheit haben wir immer wieder auf die mangelnde Abgrenzung der Organistor*innen der Demonstrationen nach rechts außen hingewiesen, auch auf die Mobilisierung in teils einschlägig extrem rechten Telegram-Gruppen. Gleichwohl halten wir die Demonstration*innen in der Mehrheit nicht für Neonazis. Eine solche Pauschalkritik würde dem Phänomen auch nicht gerecht werden. Aber alle, die montags in Gummersbach mitdemonstrieren, müssen sich mindestens den Vorwurf gefallen lassen, keine Distanz zur extremen Rechten zu wahren. Da nützt auch kein Mimikry einer Blaskapelle, die ein Lied antifaschistischer Partisanen spielt, und auch keine Luftballons und Kerzen. Und warum sollte eigentlich Gummersbach die einzige Stadt bundesweit sein, wo bei den Demonstrationen keine extrem Rechten mitlaufen?!?
(Extrem) rechte Inhalte bei „Gesundheitswesen Oberberg“
Wo lassen sich nun die montäglichen Demonstrationen politisch verorten? Erhellend ist hier ein Blick in den Telegram-Chat „Gesundheitswesen Oberberg“. Aktuelle Screenshots wurden uns aus dem inneren Kreis der Organisator*innen der Demonstrationen zugespielt. In der Telegram-Gruppe wurden jüngst u.a. Inhalte der extrem rechten Wochenzeitung „Junge Freiheit“, von der AfD-Politikerin Alice Weidel, des rechtspopulistischen Online-Magazins „Tichys Einblick“ und des rechtskonservativen Fake-News-“Journalisten“ Boris Reitschuster verbreitet, teils von den Administrator*innen der Chatgruppe. Hierfür gibt es Zuspruch, aber keine Widerrede.
Vernichtungsphantasien gegen Gegendemonstrant*innen
In einer anderen Telegram-Gruppe, in der für die nächste Demonstration am 31. Januar geworben wird, werden die Teilnehmer*innen der Gegenkundgebung im Nazi-Jargon als „Parasiten“ (im Subtext schwingt mit, dass diese folgerichtig vernichtet werden müssen) bezeichnet. Was bleibt? Die Montagsdemonstrationen sind rechte Aufmärsche, auch wenn manche Teilnehmende sich in ihrer subjektiven Wahrnehmung anders verorten. Wollen die Demokrat*innen diesen die Straße überlassen? Und die Parole „Nazis raus!“ ist zwar überspitzt, aber nicht falsch. (KW)
„Um der Polizei die Arbeit etwas zu erleichtern wurden ihr deshalb vor einer Woche die Daten zu der Administratorin – einer 69jährigen Frau aus der Esoterik-Szene, die in einem westlich der Innenstadt gelegenen Stadtteil von Gummersbach wohnt – übermittelt.“
Wie bereits in verschiedenen lokalen Medien berichtet wurde, werden in der oberbergischen Telegram-Gruppe „Oberberg bewegt!“ regelmäßig rassistische, antisemitische und volksverhetzende Posts verbreitet. Bei der Gruppe handelt es sich mit über 1500 Mitgliedern um den größten einschlägig extrem rechten „Coronaskeptiker“-Telegram-Kanal im Oberbergischen. Dieser besteht bereits seit Beginn der Coronapandemie. Von keinem der Mitglieder gibt es nennenswerten Widerspruch zu den menschenverachtenden Inhalten, die dort verbreitet werden.
Hier eine Auswahl von Originalzitaten aus den Posts: „Der Holocaust ist eine Lüge genau wie das Märchen von der Pandemie“, „Der Holocaust ist die schlimmste Kriegslüge in der Menschheitsgeschichte!“, „Das Volk steht auf, der Sturm bricht los“ (Goebbels Zitat), „Wahrheit macht frei und Freiheit macht wahr“ (Erweitertes Zitat des Spruchs vom Eingangstor des KZ Auschwitz), „Jude gib zu, dass Juden wie ein Fremdkörper, wie ein Parasit unter den Völkern leben, die sie von innen heraus erobern und vernichten wollen“, „Weltweit ist man sich einig, dass Adolf Hitler ein außergewöhnlicher Mensch mit einer kraftvollen Ausstrahlung war. Manch einer behauptet sogar, er wäre ein Götterbote“. Und auch eine Morddrohung gegen die Vorsitzende der Amadeu Antonio Stiftung lässt sich finden: „und anetta kahane und konsorten: dieses mal entkommt ihr nicht, dieses mal kommen alle Täter an den Strick….“
Die Administratorin Elisabeth Storch (Name von der Redaktion geändert), die für unzählige wohl strafrechtlich relevante Inhalte der Gruppe verantwortlich ist, kommentiert die Artikel zu ihrer Telegram-Gruppe mit den Worten: „Niemals wurde hier geschrieben, wir wollen Adolf Hitler wiederhaben. Hier kommen nur die Informationen rein über ihn, die weltweit zu lesen sind und nur bei uns verboten werden.“ Damit macht sie deutlich, dass sie weiß, dass sie strafbare Inhalte verbreitet.
Da die Antifaschistische Recherche Oberberg (AROB) bereits im letzten Jahr ausführlich über die Gruppe „Oberberg bewegt!“ berichtet hat, ist zu vermuten, dass auch der Staatsschutz die Gruppe schon länger im Visier hat, allerdings ohne dass bisher etwas passiert ist. Da Telegram die Daten der Administratoren nicht an die Ermittlungsbehörden weitergibt, ist die Strafverfolgung in solchen Fällen allerdings auch schwer. Um der Polizei die Arbeit etwas zu erleichtern wurden ihr deshalb vor einer Woche die Daten zu der Administratorin – einer 69jährigen Frau aus der Esoterik-Szene, die in einem westlich der Innenstadt gelegenen Stadtteil von Gummersbach wohnt – übermittelt. Die Renterin ist in zahlreichen weiteren Telegram-Gruppen aktiv.
Wir gehen davon aus, dass der Staatsschutz jetzt aktiv wird, dieser Telegram-Kanal in einigen Tagen nicht mehr existieren wird und die Administratorin einem Strafverfahren wegen Volksverhetzung, Aufruf zu Straftaten und ggf. sogar einer Haftstrafe entgegensieht.
Die Initiative „Oberberg steht auf gegen Rechts“ hat anlässlich einer Veranstaltung am 19. August 2021 in Gummersbach anhand von zehn Politikfeldern herausgearbeitet, wie weit rechts die sog. „Alternative für Deutschland“ (AfD) steht: „Wir haben die zehn Positionen jeweils beschrieben, in einen kritischen Kontext gestellt und mit Zitaten belegt. […]Die Vielzahl der zum Teil erschreckenden Zitate aus allen Strömungen der Partei machen deutlich, dass es sich keinesfalls um Ausrutscher einzelner Politiker:innen handelt. Wer die AfD wählt oder aktiv Politik für sie macht, steht immer im Zusammenhang mit den hier zusammengestellten Äußerungen und kann sich nicht darauf zurückziehen, einer ‚gemäßigteren‘ Strömung anzugehören.“ (aus der Einleitung).
Die lesenswerte Handreichung stellen wir gerne hier zum Download bereit.
Reichshof. Am 07.09.21 fand zum wiederholten Mal ein sogenannter Bürgerdialog der AfD im Denklinger Hof statt. Eingeladen dazu war der AfD-Bundestagsabgeordnete Jörg Schneider. Außer den AfD-Mitgliedern aus der Region waren kaum Bürger zu diesem Dialog erschienen, so dass die AfD ihre Veranstaltung mit weniger als 15 Teilnehmer:innen durchführen musste. Wesentlich zahlreicher waren auch dieses Mal die Gegendemonstrant:innen erschienen, so dass es draußen vor dem Denklinger Hof lautstarke Proteste gab, die begleitet wurden von Hupkonzerten der vorbeifahrenden Autos, die der Aufforderung „Hupen gegen Rechts“ gerne folgten.
Durch die Einladung des Bundestagsabgeordneten Jörg Schneider beweist auch die Oberberger AfD, dass es keine Abgrenzung zum rechtsextremen Teil dieser Partei gibt. Jörg Schneider ist „Alter Herr“ der rechtsextremen Hamburger Burschenschaft Germania. Schneider sagt, seine aktive Zeit bei der Burschenschaft sei 25 Jahre her, verschweigt aber dabei, dass in der Struktur der Burschenschaften die „Alten Herren“ die jungen „Burschen“ weiter finanziell und persönlich unterstützen, er also durchaus weiter in dieser vom Verfassungsschutz beobachteten Burschenschaft aktiv ist. Schaut man 25 Jahre zurück, also in die Zeit, in der Schneider aktives Mitglied der Burschenschaft Germania war, wird klar, in was für einer Gruppierung er dort mitgemischt hat. „Nationalistisches, rassistisches und antisemitisches Gedankengut ist (…) innerhalb der aktiven Teile der Burschenschaft weit verbreitet“, so die Beschreibung des Hamburger Verfassungsschutzes. Auf Veranstaltungen der Burschenschaft werde „z. T. nationalsozialistisches Liedgut gesungen und in eigenen Liedtexten das NS-Regime verherrlicht“. Weiter heißt es in dem Bericht: „Aus ihrer Ablehnung der Demokratie und ihrer Befürwortung des ‚Führerprinzips‘ machen viele ‚Mitglieder‘ keinen Hehl.“ Der VS berichtet zudem über Wehrsportübungen die ab 1991 stattfanden und an denen neben anderen Rechtsextremen Mitglieder der Burschenschaft beteiligt waren. 1991 war einer der Burschenbrüder Schneiders Andre Goertz, damaliger Landesvorsitzender der ab 1995 verbotenen „Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei (FAP)“, der mit „Heil Euch, Kameradinnen und Kameraden“ zu Treffen ins Germanenhaus einlud. Jörg Schneider ist damit ein klarer Beleg dafür, dass es bei der AfD keine Abgrenzung ins rechtsextreme Lager gibt. Damit macht die AfD wieder einmal deutlich, wie sie sich ihr „Deutschland. Aber normal“ vorstellt: „…rassistische und rechtsextreme Positionen sind Bestandteil des AfD-Programms, der AfD-Strategie sowie der Positionierungen von AfDFührungspersonen“ heißt es dazu in der Broschüre des Deutschen Instituts für Menschenrechte. (https://www.institut-fuer-menschenrechte.de/publikationen/detail/nicht-auf-dem-boden-des-grundgesetzes) Durch den Gegenprotest und das rege Hupkonzert der Vorbeifahrenden wurde deutlich, was die Oberberger:innen von diesen Normalitätsvorstellungen der AfD halten. Bei der Bundestagswahl am 26.09.21 wird sich hoffentlich auch in den Wahlergebnissen zeigen, was die Wähler:innen von dieser rassistischen, rechtsextremen Partei halten. (OSA)