Die Beschäftigung mit dem Milieu der Corona-Leugner*innen und Impfgegner*innen im nordrhein-westfälischen Landkreis Oberbergischer Kreis (OBK) ergibt das Bild einer verschwörungsideologisch geprägten, „sektenähnlichen Struktur, die Bezüge zur „Anastasia“- und „Reichsbürger*innen“-Bewegung aufweist und die in die rechte, völkische und souveränistische Szene hinein vernetzt ist.
„Um der Polizei die Arbeit etwas zu erleichtern wurden ihr deshalb vor einer Woche die Daten zu der Administratorin – einer 69jährigen Frau aus der Esoterik-Szene, die in einem westlich der Innenstadt gelegenen Stadtteil von Gummersbach wohnt – übermittelt.“
Wie bereits in verschiedenen lokalen Medien berichtet wurde, werden in der oberbergischen Telegram-Gruppe „Oberberg bewegt!“ regelmäßig rassistische, antisemitische und volksverhetzende Posts verbreitet. Bei der Gruppe handelt es sich mit über 1500 Mitgliedern um den größten einschlägig extrem rechten „Coronaskeptiker“-Telegram-Kanal im Oberbergischen. Dieser besteht bereits seit Beginn der Coronapandemie. Von keinem der Mitglieder gibt es nennenswerten Widerspruch zu den menschenverachtenden Inhalten, die dort verbreitet werden.
Hier eine Auswahl von Originalzitaten aus den Posts: „Der Holocaust ist eine Lüge genau wie das Märchen von der Pandemie“, „Der Holocaust ist die schlimmste Kriegslüge in der Menschheitsgeschichte!“, „Das Volk steht auf, der Sturm bricht los“ (Goebbels Zitat), „Wahrheit macht frei und Freiheit macht wahr“ (Erweitertes Zitat des Spruchs vom Eingangstor des KZ Auschwitz), „Jude gib zu, dass Juden wie ein Fremdkörper, wie ein Parasit unter den Völkern leben, die sie von innen heraus erobern und vernichten wollen“, „Weltweit ist man sich einig, dass Adolf Hitler ein außergewöhnlicher Mensch mit einer kraftvollen Ausstrahlung war. Manch einer behauptet sogar, er wäre ein Götterbote“. Und auch eine Morddrohung gegen die Vorsitzende der Amadeu Antonio Stiftung lässt sich finden: „und anetta kahane und konsorten: dieses mal entkommt ihr nicht, dieses mal kommen alle Täter an den Strick….“
Die Administratorin Elisabeth Storch (Name von der Redaktion geändert), die für unzählige wohl strafrechtlich relevante Inhalte der Gruppe verantwortlich ist, kommentiert die Artikel zu ihrer Telegram-Gruppe mit den Worten: „Niemals wurde hier geschrieben, wir wollen Adolf Hitler wiederhaben. Hier kommen nur die Informationen rein über ihn, die weltweit zu lesen sind und nur bei uns verboten werden.“ Damit macht sie deutlich, dass sie weiß, dass sie strafbare Inhalte verbreitet.
Da die Antifaschistische Recherche Oberberg (AROB) bereits im letzten Jahr ausführlich über die Gruppe „Oberberg bewegt!“ berichtet hat, ist zu vermuten, dass auch der Staatsschutz die Gruppe schon länger im Visier hat, allerdings ohne dass bisher etwas passiert ist. Da Telegram die Daten der Administratoren nicht an die Ermittlungsbehörden weitergibt, ist die Strafverfolgung in solchen Fällen allerdings auch schwer. Um der Polizei die Arbeit etwas zu erleichtern wurden ihr deshalb vor einer Woche die Daten zu der Administratorin – einer 69jährigen Frau aus der Esoterik-Szene, die in einem westlich der Innenstadt gelegenen Stadtteil von Gummersbach wohnt – übermittelt. Die Renterin ist in zahlreichen weiteren Telegram-Gruppen aktiv.
Wir gehen davon aus, dass der Staatsschutz jetzt aktiv wird, dieser Telegram-Kanal in einigen Tagen nicht mehr existieren wird und die Administratorin einem Strafverfahren wegen Volksverhetzung, Aufruf zu Straftaten und ggf. sogar einer Haftstrafe entgegensieht.
Die Initiative „Oberberg steht auf gegen Rechts“ hat anlässlich einer Veranstaltung am 19. August 2021 in Gummersbach anhand von zehn Politikfeldern herausgearbeitet, wie weit rechts die sog. „Alternative für Deutschland“ (AfD) steht: „Wir haben die zehn Positionen jeweils beschrieben, in einen kritischen Kontext gestellt und mit Zitaten belegt. […]Die Vielzahl der zum Teil erschreckenden Zitate aus allen Strömungen der Partei machen deutlich, dass es sich keinesfalls um Ausrutscher einzelner Politiker:innen handelt. Wer die AfD wählt oder aktiv Politik für sie macht, steht immer im Zusammenhang mit den hier zusammengestellten Äußerungen und kann sich nicht darauf zurückziehen, einer ‚gemäßigteren‘ Strömung anzugehören.“ (aus der Einleitung).
Die lesenswerte Handreichung stellen wir gerne hier zum Download bereit.
Reichshof. Am 07.09.21 fand zum wiederholten Mal ein sogenannter Bürgerdialog der AfD im Denklinger Hof statt. Eingeladen dazu war der AfD-Bundestagsabgeordnete Jörg Schneider. Außer den AfD-Mitgliedern aus der Region waren kaum Bürger zu diesem Dialog erschienen, so dass die AfD ihre Veranstaltung mit weniger als 15 Teilnehmer:innen durchführen musste. Wesentlich zahlreicher waren auch dieses Mal die Gegendemonstrant:innen erschienen, so dass es draußen vor dem Denklinger Hof lautstarke Proteste gab, die begleitet wurden von Hupkonzerten der vorbeifahrenden Autos, die der Aufforderung „Hupen gegen Rechts“ gerne folgten.
Durch die Einladung des Bundestagsabgeordneten Jörg Schneider beweist auch die Oberberger AfD, dass es keine Abgrenzung zum rechtsextremen Teil dieser Partei gibt. Jörg Schneider ist „Alter Herr“ der rechtsextremen Hamburger Burschenschaft Germania. Schneider sagt, seine aktive Zeit bei der Burschenschaft sei 25 Jahre her, verschweigt aber dabei, dass in der Struktur der Burschenschaften die „Alten Herren“ die jungen „Burschen“ weiter finanziell und persönlich unterstützen, er also durchaus weiter in dieser vom Verfassungsschutz beobachteten Burschenschaft aktiv ist. Schaut man 25 Jahre zurück, also in die Zeit, in der Schneider aktives Mitglied der Burschenschaft Germania war, wird klar, in was für einer Gruppierung er dort mitgemischt hat. „Nationalistisches, rassistisches und antisemitisches Gedankengut ist (…) innerhalb der aktiven Teile der Burschenschaft weit verbreitet“, so die Beschreibung des Hamburger Verfassungsschutzes. Auf Veranstaltungen der Burschenschaft werde „z. T. nationalsozialistisches Liedgut gesungen und in eigenen Liedtexten das NS-Regime verherrlicht“. Weiter heißt es in dem Bericht: „Aus ihrer Ablehnung der Demokratie und ihrer Befürwortung des ‚Führerprinzips‘ machen viele ‚Mitglieder‘ keinen Hehl.“ Der VS berichtet zudem über Wehrsportübungen die ab 1991 stattfanden und an denen neben anderen Rechtsextremen Mitglieder der Burschenschaft beteiligt waren. 1991 war einer der Burschenbrüder Schneiders Andre Goertz, damaliger Landesvorsitzender der ab 1995 verbotenen „Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei (FAP)“, der mit „Heil Euch, Kameradinnen und Kameraden“ zu Treffen ins Germanenhaus einlud. Jörg Schneider ist damit ein klarer Beleg dafür, dass es bei der AfD keine Abgrenzung ins rechtsextreme Lager gibt. Damit macht die AfD wieder einmal deutlich, wie sie sich ihr „Deutschland. Aber normal“ vorstellt: „…rassistische und rechtsextreme Positionen sind Bestandteil des AfD-Programms, der AfD-Strategie sowie der Positionierungen von AfDFührungspersonen“ heißt es dazu in der Broschüre des Deutschen Instituts für Menschenrechte. (https://www.institut-fuer-menschenrechte.de/publikationen/detail/nicht-auf-dem-boden-des-grundgesetzes) Durch den Gegenprotest und das rege Hupkonzert der Vorbeifahrenden wurde deutlich, was die Oberberger:innen von diesen Normalitätsvorstellungen der AfD halten. Bei der Bundestagswahl am 26.09.21 wird sich hoffentlich auch in den Wahlergebnissen zeigen, was die Wähler:innen von dieser rassistischen, rechtsextremen Partei halten. (OSA)