Roger Beckamp verabschiedet sich als AfD-Parlamentarier
Roger Beckamp ließ nach dem diesjährigen NRW-Landesparteitag in Marl wissen, dass er seiner Partei als Parlamentarier nicht mehr zur Verfügung stehe. Als extrem rechter AfD-ler und Mitglied des Bundestages mit besten Kontakten zum politischen „Vorfeld“ blieb er bisher unverständlicherweise weitestgehend unterm Radar der Öffentlichkeit. Das änderte sich ein wenig, als er an der Seite seines Parteifreundes Matthias Helferich begann, den vorgeblich moderaten Kurs des AfD-Landesverbandes anzugreifen. Hinzu kam, dass Recherche Nord und Correctiv seinen vorweihnachtlichen Auftritt bei der neonazistsischen Jungen Tat in der Schweiz skandalisierten. Ob Beckamp sich nun tatsächlich seinem Privatleben widmen möchte oder ob er vorerst aus der Schusslinie genommen wurde, darüber kann spekuliert werden. So oder so: Da auch Correctiv nur wenig über Beckamp zu berichten wusste, wollen wir dem wenigstens nachträglich ein wenig abhelfen.
Radevormwald mit seinen benachbarten Wupperorten und den umliegenden Dörfern gilt seit Jahren als Zentrum neonazistischer Aktivitäten. Bekannt ist vor allem der „Freundeskreis Radevormwald“, um den es nach den Razzien und Gerichtsverhandlungen 2012 nur scheinbar ruhig wurde. In den letzten Jahren werden in den nördlichen Kleinstädten des Oberbergischen wieder verstärkt Aktivitäten aus dem extrem rechten Milieu sichtbar. Ermöglicht wird dies durch ein dichtes Netz von familiären und freundschaftlichen Verbindungen. Diese reichen vom neonazistischen Spektrum über die extrem rechte PRO-Bewegung bis in die AfD. Alte und neue Mitglieder des extrem rechten Netzwerks sollen im Folgenden vorgestellt werden.
Dieser Text bezieht sich auf unseren Artikel „Ziemlich beste Freunde: Neonazi-Aktivitäten in Radevormwald“ aus der Lotta #95 (Herbst 2024) und soll zusätzliche Informationen bereitstellen.
Von links: Jonas Ronsdorf, Marius Dörschel, Tobias Ronsdorf vom ehemaligen Freundeskreis Radevormwald (Foto dokunetzwerk rhein-main)
Oberbergischer Kreis/Potsdam. Am gestrigen Mittwoch sorgte die Veröffentlichung einer investigativen Recherche des Medienhauses CORRECTIV über ein klandestines Treffen von AfD-Vertreter*innen, Neonazis und weiteren Vertreter*innen der extremen Rechten im November 2023 unweit von Potsdam für Empörung. Das Ziel des Treffens: die Planung der Deportation von Millionen Menschen. Solche Überlegungen wurden dort demnach u.a. vom österreichischen Rechtsextremisten Martin Sellner präsentiert.
Oberste Reihe ganz links: Tobias Ronsdorf, oben in der Mitte mit Mütze: Felix Dörschel, mittlere Reihe: zweiter von links: Alex Kerper, rechts daneben mit Mütze: Jonas Ronsdorf, rechts daneben: Tobias Maczewski, vorne mit karierter Jacke Eddie Schneider (Quelle: Facebook)
Radevormwald/Region. Seit August 2022 kommt es in Radevormwald immer wieder zu Sachbeschädigungen mit mutmaßlich rechtsextremem Hintergrund. Betroffen von den Sachbeschädigungen waren mehrfach Schilder mit der Aufschrift „Kein Platz für Rassismus in Radevormwald“, die an den Ortseingängen angebracht sind. Sie wurden wiederholt beschädigt, zerstört oder gestohlen. Bisher konnte nicht ermittelt werden, wer für diese Sachbeschädigungen verantwortlich ist.
Die Beschäftigung mit dem Milieu der Corona-Leugner*innen und Impfgegner*innen im nordrhein-westfälischen Landkreis Oberbergischer Kreis (OBK) ergibt das Bild einer verschwörungsideologisch geprägten, „sektenähnlichen Struktur, die Bezüge zur „Anastasia“- und „Reichsbürger*innen“-Bewegung aufweist und die in die rechte, völkische und souveränistische Szene hinein vernetzt ist.
Einladend sehen Wohnhaus und Grundstück von Patrick T. in Wipperfürth-Klaswipper nicht aus. Dennoch veranstalten die AfD Wipperfürth und Hückeswagen am 13.08. hier ihr Sommerfest. Vor dem Haus steht einiges Gerümpel, daneben ein Pavillon mit drei Security-Leuten, die den Einlass kontrollieren. Hinter dem Haus stehen dicht gedrängt einige blau-rote AfD-Pavillons und Sonnenschirme unter denen die erwarteten 200 Gäste Platz nehmen sollen.
(Extrem) rechte Propaganda in der Telegram-Gruppe „Gesundheitswesen Oberberg“.
Wie die Oberbergische Volkszeitung (OVZ) vom Freitag berichtet, gibt es von Teilen der Kommunalpolitik Kritik nach der Kundgebung vom vergangenen Montag gegen die wöchentliche Demonstration der Impfgegner*innen in der Gummersbacher Innenstadt. Dieses entzündet sich an der Parole „Nazis raus!“, die von manchen Gegendemonstrant*innen gerufen wurde. Die CDU wolle deshalb nicht mehr an möglichen weiteren Kundgebungen teilnehmen. Der SPD-Fraktionsvorsitzende im Gummersbacher Stadtrat erklärte, man distanziere sich ausdrücklich von diesen Rufen.
Wir finden die Distanzierung übereilt. Die Parole „Nazis raus!“ ist zwar überspitzt, trifft aber einen wahren Kern. In der Vergangenheit haben wir immer wieder auf die mangelnde Abgrenzung der Organistor*innen der Demonstrationen nach rechts außen hingewiesen, auch auf die Mobilisierung in teils einschlägig extrem rechten Telegram-Gruppen. Gleichwohl halten wir die Demonstration*innen in der Mehrheit nicht für Neonazis. Eine solche Pauschalkritik würde dem Phänomen auch nicht gerecht werden. Aber alle, die montags in Gummersbach mitdemonstrieren, müssen sich mindestens den Vorwurf gefallen lassen, keine Distanz zur extremen Rechten zu wahren. Da nützt auch kein Mimikry einer Blaskapelle, die ein Lied antifaschistischer Partisanen spielt, und auch keine Luftballons und Kerzen. Und warum sollte eigentlich Gummersbach die einzige Stadt bundesweit sein, wo bei den Demonstrationen keine extrem Rechten mitlaufen?!?
(Extrem) rechte Inhalte bei „Gesundheitswesen Oberberg“
Wo lassen sich nun die montäglichen Demonstrationen politisch verorten? Erhellend ist hier ein Blick in den Telegram-Chat „Gesundheitswesen Oberberg“. Aktuelle Screenshots wurden uns aus dem inneren Kreis der Organisator*innen der Demonstrationen zugespielt. In der Telegram-Gruppe wurden jüngst u.a. Inhalte der extrem rechten Wochenzeitung „Junge Freiheit“, von der AfD-Politikerin Alice Weidel, des rechtspopulistischen Online-Magazins „Tichys Einblick“ und des rechtskonservativen Fake-News-“Journalisten“ Boris Reitschuster verbreitet, teils von den Administrator*innen der Chatgruppe. Hierfür gibt es Zuspruch, aber keine Widerrede.
Vernichtungsphantasien gegen Gegendemonstrant*innen
In einer anderen Telegram-Gruppe, in der für die nächste Demonstration am 31. Januar geworben wird, werden die Teilnehmer*innen der Gegenkundgebung im Nazi-Jargon als „Parasiten“ (im Subtext schwingt mit, dass diese folgerichtig vernichtet werden müssen) bezeichnet. Was bleibt? Die Montagsdemonstrationen sind rechte Aufmärsche, auch wenn manche Teilnehmende sich in ihrer subjektiven Wahrnehmung anders verorten. Wollen die Demokrat*innen diesen die Straße überlassen? Und die Parole „Nazis raus!“ ist zwar überspitzt, aber nicht falsch. (KW)
Die Initiative „Oberberg steht auf gegen Rechts“ hat anlässlich einer Veranstaltung am 19. August 2021 in Gummersbach anhand von zehn Politikfeldern herausgearbeitet, wie weit rechts die sog. „Alternative für Deutschland“ (AfD) steht: „Wir haben die zehn Positionen jeweils beschrieben, in einen kritischen Kontext gestellt und mit Zitaten belegt. […]Die Vielzahl der zum Teil erschreckenden Zitate aus allen Strömungen der Partei machen deutlich, dass es sich keinesfalls um Ausrutscher einzelner Politiker:innen handelt. Wer die AfD wählt oder aktiv Politik für sie macht, steht immer im Zusammenhang mit den hier zusammengestellten Äußerungen und kann sich nicht darauf zurückziehen, einer ‚gemäßigteren‘ Strömung anzugehören.“ (aus der Einleitung).
Die lesenswerte Handreichung stellen wir gerne hier zum Download bereit.
Reichshof. Am 07.09.21 fand zum wiederholten Mal ein sogenannter Bürgerdialog der AfD im Denklinger Hof statt. Eingeladen dazu war der AfD-Bundestagsabgeordnete Jörg Schneider. Außer den AfD-Mitgliedern aus der Region waren kaum Bürger zu diesem Dialog erschienen, so dass die AfD ihre Veranstaltung mit weniger als 15 Teilnehmer:innen durchführen musste. Wesentlich zahlreicher waren auch dieses Mal die Gegendemonstrant:innen erschienen, so dass es draußen vor dem Denklinger Hof lautstarke Proteste gab, die begleitet wurden von Hupkonzerten der vorbeifahrenden Autos, die der Aufforderung „Hupen gegen Rechts“ gerne folgten.
Durch die Einladung des Bundestagsabgeordneten Jörg Schneider beweist auch die Oberberger AfD, dass es keine Abgrenzung zum rechtsextremen Teil dieser Partei gibt. Jörg Schneider ist „Alter Herr“ der rechtsextremen Hamburger Burschenschaft Germania. Schneider sagt, seine aktive Zeit bei der Burschenschaft sei 25 Jahre her, verschweigt aber dabei, dass in der Struktur der Burschenschaften die „Alten Herren“ die jungen „Burschen“ weiter finanziell und persönlich unterstützen, er also durchaus weiter in dieser vom Verfassungsschutz beobachteten Burschenschaft aktiv ist. Schaut man 25 Jahre zurück, also in die Zeit, in der Schneider aktives Mitglied der Burschenschaft Germania war, wird klar, in was für einer Gruppierung er dort mitgemischt hat. „Nationalistisches, rassistisches und antisemitisches Gedankengut ist (…) innerhalb der aktiven Teile der Burschenschaft weit verbreitet“, so die Beschreibung des Hamburger Verfassungsschutzes. Auf Veranstaltungen der Burschenschaft werde „z. T. nationalsozialistisches Liedgut gesungen und in eigenen Liedtexten das NS-Regime verherrlicht“. Weiter heißt es in dem Bericht: „Aus ihrer Ablehnung der Demokratie und ihrer Befürwortung des ‚Führerprinzips‘ machen viele ‚Mitglieder‘ keinen Hehl.“ Der VS berichtet zudem über Wehrsportübungen die ab 1991 stattfanden und an denen neben anderen Rechtsextremen Mitglieder der Burschenschaft beteiligt waren. 1991 war einer der Burschenbrüder Schneiders Andre Goertz, damaliger Landesvorsitzender der ab 1995 verbotenen „Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei (FAP)“, der mit „Heil Euch, Kameradinnen und Kameraden“ zu Treffen ins Germanenhaus einlud. Jörg Schneider ist damit ein klarer Beleg dafür, dass es bei der AfD keine Abgrenzung ins rechtsextreme Lager gibt. Damit macht die AfD wieder einmal deutlich, wie sie sich ihr „Deutschland. Aber normal“ vorstellt: „…rassistische und rechtsextreme Positionen sind Bestandteil des AfD-Programms, der AfD-Strategie sowie der Positionierungen von AfDFührungspersonen“ heißt es dazu in der Broschüre des Deutschen Instituts für Menschenrechte. (https://www.institut-fuer-menschenrechte.de/publikationen/detail/nicht-auf-dem-boden-des-grundgesetzes) Durch den Gegenprotest und das rege Hupkonzert der Vorbeifahrenden wurde deutlich, was die Oberberger:innen von diesen Normalitätsvorstellungen der AfD halten. Bei der Bundestagswahl am 26.09.21 wird sich hoffentlich auch in den Wahlergebnissen zeigen, was die Wähler:innen von dieser rassistischen, rechtsextremen Partei halten. (OSA)