Nachtrag: Holocaustleugner, Verschwörungsideologen, Revisionisten und Esoteriker beim Rheinwiesenlagertreffen

Foto vom Bündnis Remagen

Durch verschiedene Veröffentlichungen in der lokalen Presse und die konzertierten Veröffentlichung von Stoppt die Rechten (SdR) und AROB konnten wir in den Telegram-Gruppen der Organisator*innen erhebliche Verunsicherung und diverse Absagen  – nicht zuletzt innerhalb der Orga-Gruppe – bewirken.

Es erschienen dennoch über 50 Rechtsesoteriker*innen, die teils gegenüber den Mahnwachen des Friedensbündnisses mit erheblicher Aggressivität und antisemitischen Äußerungen auftraten.

Reaktionen auf die Veröffentlichungen

Nachdem die Veröffentlichung der Lokalpresse und die Recherchen von SdR und AROB in den beiden Gruppen der Rechtsesoteriker*innen auftauchten, gab es eine Vielzahl von Reaktionen. Einige Hinweise auf unsere gemeinsamen Hintergrundrecherchen wurden beinahe umgehend gelöscht. Teilnehmer*innen verlangten eine Einschätzung von Oliver Kloth, der zunächst völlig abtauchte. Es gab Absagen („Kann meine Katze nicht alleine lassen…“) andere wollten „jetzt erst recht“ kommen, wieder andere wollten ganz intensiv „aus der Ferne“ teilhaben.

Kristina K. aus der Vorbereitungsgruppe sagte ihre Teilnahme stehenden Fußes ab („Verantwortung für die Familie“), ebenso Lex van Someren („verschiedene Umstände…“), der am Donnerstag für ein Konzert vor Ort vorgesehen war. Auf Wunsch wurde das „Konzert“ zum geplanten Zeitpunkt online abgehalten.

Sichtlich angefasst war Catherine Thurner aus Salzburg, die zu Recht um ihre Bewährung fürchten musste, aber natürlich lediglich aus Verantwortung gegenüber der Aktion leider, leider zu Hause bleiben müsse. Sie bedauerte explizit, dass sie ihr Hotelzimmer nicht mehr stornieren konnte, weil ihr aus Deutschland offensichtlich niemand rechtzeitig über die sie betreffenden Veröffentlichungen Bescheid gegeben hatte. (Mehr hierzu: https://www.stopptdierechten.at/.)

Oliver Kloth wechselte schließlich das Konzept: Die Teilnehmer*innen sollten sich situativ vor Ort suchen, ihre starken Herzensausstrahlungen sollten dazu führen, dass man sich gegenseitig finden könne. Tatsächlich wurden die aktuellen Treffpunkte kurzfristig in den Orgagruppen bekannt gegeben, und man verständigte sich außerdem mündlich vor Ort. Eine wichtige Funktion als ortskundiger Teilnehmer erhielt Ralf alias „Inkarnatius“, ortsansässiger Verschwörungserzähler und -produzent mit eigenem Telegram-Kanal.

Es wurde strikt zurückgewiesen, dass man rechts wäre, schließlich sei man esoterisch unterwegs, und das habe ja mit Politik gar nichts zu tun – als ob Revisionismus, Reichsbürgertum und Holocaustleugnung (immerhin ein Offizialdelikt) auf der Stelle unpolitisch würden, wenn man den Kopf ausschaltet und sich in seiner selbstgeschaffenen Parallelwelt penetrant mit „Herzensmensch“ anspricht. Einige der in den Telegram-Gruppen ge- und reposteten Beiträge mit möglicherweise strafbaren Inhalten wurden dennoch mittlerweile gelöscht. (No way, ihr lieben Herzensmenschen: Alles gesichert!)

Oliver Kloth, der sich ausführlich dieser Rabulistik bediente, repostete immerhin die meisten Holocaustleugnungs-Videos und NS-Propaganda in seinen Kanälen. Das hinderte ihn jedoch nicht daran Erstaunen zu heucheln, als die Ordnungsbehörden ihm mitteilten, dass Gruppen rechter Esoteriker erwartet würden. Bigotterweise behauptete er, damit nicht gemeint sein zu können, forderte zu seiner Absicherung jedoch sofort alle Rechtsextremen und Nazis auf, die Gruppe zu verlassen, sagte das Treffen beinahe gleichzeitig offiziell ab, nur um anschließend mit seiner revisionistischen und nationalistischen Agenda bruchlos fortzufahren.

Verlassen vom Rest der Vorbereitungsgruppe, mussten er und Nancy Mandody die Aktionstage schließlich alleine durchführen, eine Absage konnten sich die beiden Bewegungsunternehmer*innen auch nur schlecht leisten.

Das Orgateam vor Ort

Herzensmenschen in Aktion – eher nicht so friedlich…

Grüppchen von Rechtsesos wandelten in den folgenden Tagen durch die Landschaft an Rhein und Ahr und hinterließen allerhand Eso-Artefakte in der Natur: Ungezählte steinerne oder gemalte bunte Herzchen, mit Auraspray präparierte Teelichter und Grabkerzen, der übriggebliebene Topf mit dem Silvester-Glücksklee, Kristalle und Engelchen blieben zurück. Allerhand Zauberzeugs (Kuhdung – unbedingt von behörnten Kühen!, Klangschalen und „indianische“ Trommeln) und eine „Drehtänzerin“ aus dem Schwarzwald brachten die „Herzensmenschen“ bei ihren Riten in Gefühlswallungen und ließen sie glauben, dass sie nun mit ihren Ahnen verbunden seien und die Gegend „aktiviert“ hätten.

Ein gutes Stück weitergekommen sind die Teilnehmer*innen aber mit Sicherheit auf dem Weg in eine rechts-esoterische Sektenstruktur.

Am 11.05. wurde das Tennis-Vereinsheim  in Leimersdorf unter einem beschönigend-falschen Veranstaltungstitel angeblich für Vorträge zum Thema Heimat gemietet. Die Eigentümer nahmen  nach Bekanntwerden, wen sie dort beherbergten, ihr Hausrecht wahr und ließen die Veranstaltung durch die Polizei beenden. Es folgte eine geprellte Zeche in Höhe von 150,00 € bei einem anschließenden Mittagessen: Offensichtlich ließ sich dort nicht mit reiner Herzensenergie bezahlen.

Gegenüber den Mahnwachen des „Bündnis für Frieden und Demokratie Remagen“ und seinen Unterstützer*innen ließen Einige ihre Friedensfassade dann endgültig fallen.

Die Mahnwachen

Das Bündnis für Frieden und Demokratie Remagen hatte im Vorfeld die Kapelle zur schwarzen Madonna – ursprünglich als Treffpunkt für alle drei Tage vorgesehen – verhüllt und Plakate aufgehängt. Der Friedensverein als Eigentümer der Kapelle hatte für die unerwünschten Gäste ein Betretungsverbot ausgesprochen, die Presse war informiert und hatte berichtet, an der Kapelle und einem Gedenkstein in Sinzig wurden Schichten mit Mahnwachen organisiert.

Ein uneingeschränktes Dankeschön und großer Respekt geht an dieser Stelle an die Teilnehmer*innen der Mahnwachen: Der direkte Kontakt mit den Rechtsesos forderte ihnen sehr viel ab. Es wurde berichtet, dass man – trotz der Erfahrungen mit Neonazidemonstrationen an den Rheinwiesenlagern in den vergangenen Jahren – selten so unverhohlen antisemitische Sprüche ins Gesicht gesagt bekommen habe und durchweg auf verhärteten Revisionismus und Schuldumkehr getroffen sei. Einige der „Herzensmenschen“ beschimpften und filmten die Aktivist*innen der Mahnwachen. Am Gedenkstein in Sinzig – der ebenfalls durch Gitter gesichert war und mit Infoplakaten versehen war – wurden Plakate abgerissen. Dass sie an weiteren Übergriffen gehindert werden sollten, fanden die Friedensfreunde dann jedoch aggressiv. (Link oder Verweis auf den Bericht des Bündnisses)

Die Polizei

Kontrolliert wurden von der Polizei unseres Wissens nach Beobachter*innen und Presse vor Ort. Die Rechtsesos wussten dagegen in mehreren Posts von vergnüglichem und ermutigendem Austausch mit den Uniformierten zu berichten, was schlecht nachgeprüft werden kann, aber anhand der Erfahrungen mit den „Spaziergängen“ und Demos von Coronaleugner*innen plausibel klingt.

Es wäre wünschenswert, dass die Ordnungshüter wenigstens ein einziges Mal begreifen würden, dass ihre Kumpanei mit rechten, reichsbürgernahen und antidemokratischen Anhänger*innen des Deutschen Reichs dauerhaften demokratieschädigenden Flurschaden anrichtet und nicht zuletzt ihr eigenes Leben durch nämliche Klientel mitsamt seiner Mischszenen-Peripherie gefährdet ist.

Ausblick

Es steht zu befürchten, dass sich die Sektenstrukturen um William Toel, Kloth, Mandody, Thurner und van Someren nach diesen Aktionstagen weiter konsolidieren. Die mit über 50 Teilnehmer*innen durchgeführten Treffen werden intern als Erfolg gedeutet, die für Sekten typische massenpsychotische Aufladung scheint ein emotionales Bedürfnis bei den Teilnehmer*innen zu befriedigen.

Die Gruppe steht außerdem bei Weitem nicht alleine da: Im deutschsprachigen Raum sprießen gerade etliche reichsbürgernahe, revisionistische und esoterisch verbrämte Gruppen in den Sozialen Netzwerken und bei ländlichen Treffen hervor, die die Rückkehr zum Deutschen Reich und die Erstarkung der „deutschen Seele“ fordern – womit immer auch die Beendigung des „Schuldkults“ und eine implizite und/oder explizite Leugnung des Holocausts gemeint ist. Es gilt diese Gruppen ernst zu nehmen, denn sie mobilisieren neben Nazis und Neuen Rechten zusätzliches Klientel. Sie haben somit eine Scharnierfunktion in die Extreme Rechte hinein und wirken als Radikalisierungsmaschinen.

Simon Strick schreibt: „Das Versprechen der Alternativen Rechten (…) ist das gleiche: Hat man die affektive Schwelle vom ‚Unwohlsein‘ zur ‚Erkenntnis einer Verblendung‘ überschritten, winkt eine gottgleiche Handlungsmacht und Unverwundbarkeit. Man kann die verbalen Attacken ‚Racist, Sexist, Nazi!‘ abwehren (…) und sich über … Benimmregeln und Wirklichkeitsbegrenzungen hinwegsetzen.“ (Rechte Gefühle: Affekte und Strategien des digitalen Faschismus. Bielefeld 2021. S. 78f.) Strick beschreibt damit die metapolitischen Strategien der Neuen Rechten, die jedoch ebenso gut auf die rechtsesoterische Szene zutreffen. Nicht zuletzt deshalb sind braune Esos als Projekt einer kulturellen Hegemonie der Rechten als Gefahr wahr- und ernst zu nehmen.