Filmvorführung der rechten Verschwörungsszene in Bergneustadt geplant

Am 7. Februar 2025 soll in Bergneustadt (Oberbergischer Kreis) der Film »Nur ein Piks [!] – Im Schatten der Impfung« gezeigt werden. Produziert wurde der Film von Mario Nieswandt, der bis Ende 2022 für das extrem rechte COMPACT Magazin tätig war. Organisiert wird die Aufführung von Mitgliedern der Telegramgruppe Oberberg bewegt sich, in der seit der Coronapandemie zur Teilnahme an den „Montagsspaziergängen“ in Gummersbach und zu überregionalen Veranstaltungen der Coronaleugnerszene aufgerufen wird. Entsprechendes Publikum ist daher zu erwarten.

Der Film

Im Film „Nur ein Piks“ [Fehler im Original] werden gängige Impfmythen von Coronaleugnern verbreitet und über die angeblichen Gefahren und Nebenwirkungen der SARS-CoV-2-Impfung berichtet. Ein „Schweigekartell der Pharma-Lobby“ (Zitat aus der Filmankündigung) sorge dafür, dass darüber ansonsten nicht berichtet würde. Aktuelle Zahlen von Impfschäden durch Coronaimpfungen lassen sich im Internet finden. Bisher gibt es in Deutschland etwa 12.000 Anträge, was bei 65 Millionen Impfungen etwa 0,02 Prozent ausmacht. In der Dokumentation wird jedoch nicht auf Fakten gesetzt, es werden vielmehr Ängste geschürt. Dementsprechend kommen in dem Film auch keine seriösen Ärzt*innen oder Wissenschaftler*innen zu Wort. Stattdessen werden Aktivist*innen der Szene als vermeintliche Expert*innen präsentiert – etwa Sucharit Bhakdi – und es kommen Politiker*innen von AfD oder der Kleinstpartei „Die Basis“ zu Wort.

Die Frankfurter Neue Presse schreibt über Nieswandts „Dokumentation“: „Insbesondere zwei junge britische Frauen sollen als Kronzeuginnen für angebliche Impfschäden herhalten. Deren Leiden an Krämpfen und unkontrollierten Zuckungen wird in einer Reihe von Handyvideos zur Schau gestellt. Auch eine deutsche Mutter, deren 15-jährige Tochter nach einer Impfung im Krankenhaus starb, kommt ausführlich zu Wort. Entsprechend suggestiv ist der Text, mit dem Nieswandt die »Dokumentation« unterlegt. »Es gibt auch die Menschen, die die Injektion überlebt haben«, sagt er – und suggeriert damit, dass die meisten Menschen nach der Impfung verstorben wären oder zumindest schwer geschädigt seien. Der Szenestar Prof. Dr. Sucharit Bhakdi erzählt, dass Geimpfte eine „tickende Zeitbombe“ in sich tragen würden. Bhakdi wird in der sogenannten Querdenker-Szene wie eine Ikone verehrt. Bemerkenswert ist, dass Nieswandt trotz Millionen geimpfter Menschen anscheinend nur sehr wenige Impfgeschädigte findet, um seine Hypothesen zu untermauern. Dass er sich dabei auf Großbritannien fokussiert, begründet er damit, dass ihm in Deutschland bei der Internetsuche nach »Impfgeschädigten« keine Ergebnisse angezeigt werden. »Da hat die Zensur schon gegriffen«, ist er überzeugt.“ (https://www.fnp.de/lokales/wetteraukreis/ganz-normale-menschen-93342707.html)

Der Filmemacher

Produziert und gedreht wurde der Film von Mario Nieswandt aus Seelow (Brandenburg), der längere Zeit den AfD-nahen Sender Seelow TV betrieb. Nieswandt bezeichnet sich als unabhängiger Filmemacher und Journalist, trat jedoch bei den Kommunalwahlen in Brandenburg am 9. Juni 2024 für die AfD im Wahlkreis Märkisch-Oderland antrat. Seine impfkritischen Filme – Unter dem Label Double Dragon Cinema veröffentlichte der zu ihm gehörige Filmverleih Taurus Pictures bereits den Film „Corona – Die große Verschwörung“ ­– werden häufig auf AfD-Veranstaltungen gezeigt, u.a. am 26.11.2024 von der AfD-Fraktion im Bundestag, die der Produzent mit seiner persönlichen Anwesenheit beehrte.

Mario Nieswandt vorne rechts bei der AfD Fraktion im Bundestag (Quelle: Facebook)

Nieswandt war bis November 2022 Geschäftsführer der Conspect Film GmbH. Diese war ein Tochterunternehmen der Compact-Magazin GmbH, die das COMPACT Magazin herausgibt. Conspect Film produzierte unter anderem die werktägliche Nachrichtensendung »COMPACT. Der Tag«. Am 16. Juli 2024 wurde durch Verfügung des Bundesinnenministeriums neben der Compact-Magazin GmbH auch die Conspect Film GmbH verboten. Der Sofortvollzug des Verbots wurde am 14. August vom Bundesverwaltungsgericht teilweise ausgesetzt. Das Hauptsacheverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht wird ab Februar 2025 über die Rechtmäßigkeit des Verbots entscheiden. Die Conspect Film GmbH wurde am am 25. September 2024 aufgelöst. (https://rheinmain-rechtsaussen.org/?s=Conspect)

Die Veranstalter

Im Telegram Account von Oberberg bewegt sich laden Nadine Dummer, Tanja & Ansgar Lehnen und Volker Heitmann zum Besuch der Filmvorführung in Bergneustadt ein.

Volker Heitmann ist Mitglied der Unabhängigen Wählergemeinschaft (UWG) in Bergneustadt. Sein Parteikollege Jens-Holger Pütz, der für die UWG bereits als Bürgermeister kandidierte, dürfte sich ebenfalls für den Film interessieren, teilt er doch auf seinem Facebook-Account einen Videoausschnitt eines Vortrags des ehemaligen ZDF Moderators und bekennendem Björn Höcke-Fans Peter Hahne: „…es sind willentlich und wissentlich tausende und abertausende Menschen in den Tod getrieben worden, durch Masken und durch Impfen…“.

Interessant ist auch das Facebook Profil von Tanja Lehnen. Neben der Verschwörungserzählung zu „Chemtrails“ finden sich dort auch die einschlägigen Impfmythen, z.B. ein Post der extrem rechten niederländischen Aktivistin Eva Vlaardingerbroek: „Die können sich ihre neue Variante, ihre Gesichtswindeln und ihre Gentherapie dorthin stecken, wo die Sonne nicht scheint. Als wir ‚nie wieder‘ sagten, meinten wir auch ‚nie wieder‘“. Vlardingerbroek stellt die Pandemiemaßnahmen mit der Annektion dieser antifaschistischen Parole für die Cornolaugnerszene in die Nähe des historischen Faschismus. Die Freundesliste von Tanja Lehnen  – und damit auch das zu erwartende regionale Publikum – weist Verbindungen zur Reichsbürgerin Nicola Steiner aus Lindlar auf, die seit Beginn der Pandemie rege Aktivistin der Coronaleugner- und Verschwörungserzähler-Szene ist. Es findet sich dort auch Michael Witt, einer der Organisatoren und regelmäßiger Redner der Gummersbacher „Spaziergänge“, der den reichsbürgernahen Verschwörungsmythos einer vermeintlich fehlenden Souveränität Deutschlands verbreitet: Deutschland sei kein Staat, sondern eine GmbH. Eine weitere einschlägig bekannte Person in ihrem Profil ist Stefan Gehrmann aus Waldbröl, der dort die „Montagsspaziergänge“ initiierte und auf Grund seiner Weigerung, diesbezüglich verhängte Ordnungsgelder zu zahlen, eine Ersatzfreiheitsstrafe verbüßte. Gehrmanns Facebookeinträge machen deutlich, wie sehr er sich der extremen Rechten angenähert hat. Am 24.09.24 postete Gehrmann ein Bild der verstorbenen Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck zusammen mit seinem Kommentar: „Etwas verspätet, aber auf immer in meinem Herzen verankert. Eine wirklich sehr herzliche und mutige Frau die ich bewundere und verehre. Ich hoffe, dass sie in der Zukunft die Verehrung erhält, die sie verdient hat.“ Erschreckenden 122 Personen gefällt dieser Post.

Tanja Lehnen befindet sich ihrerseits in der Facebook-Freundesliste von Mario Nieswandt. Dort ist sie in Gesellschaft von zahlreichen AfD-lern und bekannten Größen der extrem rechten Szene wie: Anna Leisten (Junge Alternative mit Nähe zur Identitären Bewegung), Sebastian Schmidtke und Daniel Lachmann (beide zugehörig zur Partei Die Heimat, der ehemaligen NPD), Reichsbürger Björn Banane (Winter) und Phil Neumann von der extrem rechten Band Flak. Mario Nieswandt trägt also bei zu einer Annäherung zwischen Coronaleugnern,  Verschwörungsgläubigen und der extremen Rechten.

Nach den im Film transportierten Erzählungen, gibt es vermeintlich ein großes Geheimnis, einen großen Skandal, der vertuscht wurde. Impfkritiker*innen seien Opfer und gleichzeitig Eingeweihte in eine verborgene Wahrheit. Sie verdrehen Fakten und kommen zu dem Schluss aller Verschwörungserzählungen, dass nämlich alles in Frage gestellt werden müsse: das „System“, die Medien, die „Eliten“, die Deutschland-GmbH und natürlich – es ist ja dann nur noch ein kleiner Schritt, den Stefan Gehrmann mit seinem Haverbeck Post bereits vollzogen hat – die Verbrechen des Nationalsozialismus.

Aufführungsort

Der Ort der Filmvorführung soll erst zwei Tage vor dem Aufführungsdatum bekannt gegeben werde und nur verbindlich angemeldeten Besucher*innen nach Zahlung eines Beitrags von 15,00 €.  

Volker Heitmann als Mit-Einlader der Veranstaltung ist Mitglied der Unabhängigen Wählergemeinschaft (UWG) in Bergneustadt. Als Stadtratsfraktion hat die UWG vermutlich auch Zugriff auf städtische Räume, sodass eine Aufführung im Bergneustädter Krawinkelsaal vorstellbar wäre.

Möglich ist aber auch eine Vorführung in kleinerem Rahmen im Vereinsheim des Bergneustädter FC Wiedenest-Othetal, dessen Präsident Ansgar Lehnen in dem oben erwähnten Post ebenfalls zu der Vorführung einlädt.

Nieswandt soll laut der Veranstaltungsankündigung in der rechtsoffenen bis rechten Telegramgruppe Oberberg bewegt sich in Bergneustadt persönlich vor Ort sein und für Gespräche mit dem Publikum zur Verfügung stehen.