Für den heutigen Sonntag hatte die Oberbergische AfD zur Einweihung ihres Wahlkampfbüros in die Vollmerhauser Straße 75 in Gummersbach eingeladen. Als vorgeblich volksnahe Partei versprach sie ihren Gästen vor allem eine „reichhaltige Auswahl an Grillgut“. MdB Eugen Schmidt persönlich verriet bereits vorab auf Facebook die Adresse, sodass sich neben etwa 50 angemeldeten AfDler*innen auf der dem Büro gegenüberliegenden Straßenseite gleich die dreifache Menge von Gegendemonstrant*innen einfand und lautstark auf die neuen braunen Nachbar*innen an der B55 aufmerksam machte.

Dem ehemaligen Bioladen sah man seine neue Bestimmung bisher nicht an, in den Schaufenstern hingen lediglich neutral gehaltene Plakate ohne Parteilogo. Erst im Hinterhof – zwischen einem abgewrackten Auto und einem Berg Metallschrott – weisen blaue Partyzelte auf die neuen Mieter hin.

Daniel Schwach, AfD Wiehl
Anwesend war neben den üblichen lokalen Parteifunktionären das ehemals aktive Mitglied der Burschenschaft Sigambria Siegen, Daniel Schwach, jetzt Fraktionsmitglied der AfD Wiehl und stellvertretender Sprecher der AfD Oberberg. Ebenfalls vor Ort war Carlo Clemens, ehemaliger Vorsitzender des Bundesverbandes der Jungen Alternative (JA) und jetzt Mitglied des Landtags NRW. Der Verfassungsschutz hatte die Jugendorganisation der AfD bis vor Kurzem als gesichert rechtsextrem eingestuft, nahm diese Einschätzung jedoch kürzlich sicherheitshalber wegen eines Eilantrages zurück und führt sie seitdem wieder als Verdachtsfall. Es darf davon ausgegangen werden, dass die Höherstufung wieder erfolgen wird, wenn die juristischen Winkelzüge der Organisation erfolglos bleiben. Carlo Clemens sitzt außerdem für die AfD im Rat der Stadt Bergisch Gladbach.

Carlo Clemens, AfD MdL NRW
Angereist zur Eröffnung seines Wahlkampfbüros war auch Eugen Schmidt, MdB für die AfD und Gründer der parteinahen Organisation »Russlanddeutsche für die AfD«. Hier dürfte auch der Grund für die strategische Entscheidung zu finden sein, Schmidt ins Oberbergische zu entsenden: In einigen Gemeinden gibt es große Communities von Russlanddeutschen und hier erzielte die AfD zuletzt Wahlerfolge von bis zu 60%, so etwa bei der Landtagswahl 2022. Die vormals traditionell treuen CDU-Wähler zeigten sich von der liberalen Politik unter Merkel enttäuscht und wandten sich der Partei zu, die ihr ultrakonservatives, chauvinistisches und rückwärtsgewandtes Verständnis von Gesellschaft offenbar besser zu schätzen weiß.

Eugen Schmidt, MdB
Der in Kasachstan geborene Schmidt ist jedoch nicht nur den Russlanddeutschen verbunden, vielmehr pflegt er auch direkte Kontakte in deren ehemalige Heimat. Mehrfach reiste er nach Moskau und trat in Talkshows im russischen Staatsfernsehen auf. Das Magazin »Der Spiegel« berichtete im Februar von Schmidts letztem Auftritt in der Talkshow »60 Minuten« beim Kanal Russia-1, wo sich Schmidt zum Sprachrohr des Kremls machte und behauptete, Russland stelle keine Bedrohung für die Welt dar. Zuvor hatte das ARD-Magazin »Kontraste« berichtet, dass Schmidt sich im russischen Fernsehen darüber ausgelassen hatte, dass es in Deutschland keine Demokratie gebe. »Andere« Meinungen würden durch die »regierende Elite« in Medien, im Internet oder sogar durch körperliche Gewalt unterdrückt. Schmidt greift hiermit Narrative auf, wie sie von rechten bis rechtsextremen Gruppierungen genutzt werden, um demokratische Institutionen zu delegitimieren und zu untergraben. »Kontraste« bezeichnete Schmidt als »Putins Propagandist im Bundestag«.
Der Gegenprotest hielt ausdauernd mit lauter Musik und einigen Redebeiträgen dagegen. Als in Teilen rechtsextreme bis faschistische Partei darf die AfD im Oberbergischen keinen Fußbreit Boden gewinnen. Aus Sicht der staatlichen Politik bleibt unverständlich, warum diese Partei bisher nicht verboten wurde.
https://www.tagesschau.de/investigativ/kontraste/afd-ukraine-russland-101.html
https://www.rundschau-online.de/region/oberberg/waldbroel/landtagswahl-in-waldbroel-maibuche-waehlen-fast-60-prozent-die-afd-195707
https://www.spiegel.de/politik/deutschland/eugen-schmidt-und-olga-petersen-afd-politiker-treten-erneut-in-russischer-talkshow-auf-a-ac26e39d-fee9-44ef-ab01-37226d015fa4